Mit Fotos Geschichten erzählen
Eine lebendig erzählte Geschichte erregt Aufmerksamkeit und länger und nachhaltiger im Kopf der Menschen, während nüchterne Sachinformationen meist schwieriger im Gedächtnis bleiben.
Fotografisches Storytelling
In der Fotografie erzählt sich eine Geschichte am einfachsten anhand einer Bildserie. Schon aus nur zwei Bildern konstruiert unser Gehirn eine Geschichte, und je mehr Bilder dazu kommen, desto ausgefeilter oder genauer oder länger wird die Geschichte erzählt. In unserem Kurs über serielle Darstellung geht es genau um diesen Aspekt des fotografischen Storytellings.
Das Thema Storytelling begleitet einen aber auch, wenn man sich dazu entschließt, ein Fotobuch zu gestalten: Was möchte ich erzählen, und wem möchte ich es erzählen? Ein runder Geburtstag oder eine Hochzeit haben eine andere Geschichte als die Erlebnisse der letzten Reise. Generell leben Fotobücher von Bildern, die sowohl das große Ganze betrachten, als auch den Blick auf die kleinen Dinge richten und Details und Besonderheiten festhalten.
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“
Doch wie erzählt man eine kleine Geschichte in nur einem Bild? Hier ist Geduld gefragt und die sorgfältige Beobachtung seiner Umwelt. Man muss die Story erkennen, wenn sie sich vor der Kamera ereignet. Oder man plant sie und setzt sie entsprechend in Szene.
Stilistisch gibt es ein paar Dinge, die eine Geschichte eindeutiger erzählen:
Stelle das Objekt der Begierde frei.
Idealerweise hat man aber sein Motiv bereits so arrangiert bzw. nimmt selbst eine entsprechende Position ein, dass man eine schöne Perspektive findet, die dem Hauptdarsteller seiner Geschichte die angemessene Bühne gibt.
Achte bei Portraits darauf, ein stiller Beobachter zu sein.
Die Blickrichtung ist entscheidend, sagt sie doch eine Menge über das Geschehen aus und offenbart Emotionen und Gefühle. So knüpfen Blicke, die direkt in die Kamera gerichtet sind, einen unvermeidlichen Kontakt zum Betrachter. Blicke nach oben oder nach unten drücken eine Vielzahl an Emotionen oder Absichten aus, so beispielsweise Scham, Konzentration oder Träumerei.
Blicke zwischen Personen spiegeln ein Beziehungsverhältnis wider, aber auch die Abwesenheit des Blickkontaktes trifft eine eigene Aussage.
Achte auf die Lichtstimmung und das Wetter.
Gute Fotos lassen sich bei jedem Wetter machen, daher sollte man vor allem auch bei Regen und Schnee vor die Tür mit der Kamera gehen, wenn die Schönwetterfotografen sich die Motive entgehen lassen. Wenn man sich Zeit nimm, dann kannst man tolle Bilder machen, auf denen zu sehen ist, wie die Menschen sich beeilen und versuchen dem Wetter zu entfliehen. Vielleicht findet man auch Personen, die genau dieses Wetter genießen und entspannt und glücklich durch den Regen spazieren.
Bei Nebel wirkt alles sehr schnell geheimnisvoll, mystisch und gleichzeitig wirkt der Nebel sehr weichzeichnend mit weichen Konturen und gedämpften Farben. Harter greller Sonnenschein hingegen ist schatten- und kontrastreich – auch hier lassen sich hervorragende Bilder machen. Und zwar entgegen der landläufigen Meinungen, zwischen zwölf und drei habe der Fotograf frei. So lassen sich Schattenspiele und Lichtstrahlen in Kirchen und staubigen Gebäuden sehr gut festhalten. Auch Straßenszenen und Gebäude wirken mit harten Kontrasten und Schatten ganz anders. Mit starkem Gegenlicht kannst man auch mit Silhouetten arbeiten und damit Geschichten erzählen.
Nutze ungewöhnliche Perspektiven
Erzähle Deine Geschichte aus einer anderen Sicht. Man kann zum Beispiel die Sicht eines Kindes oder eines Hundes einnehmen, in die Hocke gehen oder die Kamera auf den Boden legen und nach oben blicken. Es wird automatisch eine andere Geschichte erzählt, und meist tritt auch mehr Spannung ein. Durch eine andere und ungewohnte Perspektive beschäftigt sich der Betrachter länger mit dem Bild.
Neben diesen einfachen Stilmitteln kommt es noch auf den Inhalt des Bildes an, auf die Geschichte, die im Kopf des Betrachters erzählt wird. Auch hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese im Kopf des Betrachters in Gang zu bringen.
Jede Person hat irgendwann einen Konflikt, den es zu lösen gilt.
Konflikte können unterschiedlicher Natur sein, sie können auf einer Beziehungsebene stattfinden (Machtkonflikte, Identitätskonflikte), oder es können materielle Konflikte sein. In der Literatur, in Theaterstücken, Opern und Filmen hat die Hauptperson immer einen Konflikt zu lösen. Dieser Konflikt macht die Geschichte erst interessant und den Lösungsweg fesselnd.
Die Höhepunkte der Geschichte sind zwei essentielle Momente: Zum einem das Auftauchen des Problems, die Wahrnehmung, dass ein Konflikt aufgetreten ist und zum anderen die Lösung des Problems. Diese Höhepunkte lassen sich hervorragend im Bild festhalten. Es sind diese Momente, in denen die Geschichte eine Wendung erfährt, und diese Momente können festgehalten werden. Gut inszeniert, setzt diese Aufnahme das Kopfkino beim Betrachter in Gang. Man sollte sich allerdings bewusstmachen, dass die nun folgende Interpretation des Betrachters nicht unbedingt die Geschichte ist, die man selber erzählen wollte. Aber gute und interessante Bilder lösen idealerweise unterschiedliche Reaktionen und Emotionen aus.
Serie oder Einzelbild?
Eine Inszenierung nimmt deutlich mehr Zeit in Anspruch, als unterwegs den richtigen Moment fotografisch einzufangen. Dessen muss man sich bewusst sein – auch wenn das Ergebnis dafür spricht.
In unserem Workshop “fotografisches Storytelling” verrät Karsten Enderlein, was ein Bild braucht, um eine Geschichte zu erzählen, und wie man selbst zum Regisseur seiner Bildgeschichten wird.