Workshop
Fotografisches Storytelling
Arbeiten der Teilnehmer
Wie erzählt man eine Geschichte in Bildern? In einem Foto oder einer Serie, mit textlicher Ergänzung oder nur durch die Kraft der Bilder?
In Theorie und Praxis wurde dieser Frage nachgegangen. Und Antworten gefunden, wie man unten sehen kann.
Wer sich für die erzählende Fotografie begeistern kann und will, ist hier an der richtigen Stelle.
Fotoreportage
Baustelle: Zermürbende Zukunft
Text und Fotos: Antje Terhaag
Baustellen reißen Wunden, um nach einiger Zeit Schönheit, Funktionalität, Moderne zu präsentieren. Sie sind wie Zahnspangen, die Löcher ins Zahnfleisch scheuern, ehe man nach Monaten oder Jahren ein strahlendes Lächeln zeigen kann. Bis dahin versucht man, ihre Existenz zu kaschieren und zu überspielen, denn ignorieren lässt sie sich nicht. Man jammert, arrangiert sich mit ihrer Existenz, wünscht sie zum Teufel und freut sich am Ende über das Resultat.
Baustellen sind Übergang. Übergang vom Gestern ins Morgen. Im Heute jedoch nehmen sie sich, was sie wollen. Jeden Tag eine andere Verkehrsführung? Warum nicht. Sie leben im Jetzt. Wenn alles schön ist, sind sie vergessen. Nichts erinnert mehr an sie und ihre tösenden und raumgreifenden Unarten. Man wird wissen, dass sie existiert haben müssen, aber man setzt ihnen kein Denkmal. Sie sind Mittel zum Zweck.
Baustellen beobachten uns. Sie legen uns Steine in den Weg und lauern. Lauern, ob wir die geänderte Verkehrsführung durchschauen, ob wir uns einen Absatz an einem Krater im Boden abbrechen oder uns durch ihre schiere Anwesenheit provoziert fühlen. Sie schenken uns ein diabolisches Lächeln wenn wir den Versuch unternehmen, alltäglichen Dingen nachzukommen, und sei es nur, einzukaufen. Provokation ist ihnen zur zweiten Natur geworden.
Für die Dauer ihres Lebens greifen Baustellen in das öffentliche Leben ein. Wie ein Tumor greifen sie nach dem intakten Raum außerhalb ihres eigentlichen Schaffens ein. Sie verunstalten und geben einen Blick frei auf die reine Funktionalität, der jegliche Ästhetik genommen wurde. Und doch sind selbst unsere Provisorien von höherem Standard, als viele Länder für die finalen Lösungen haben.
Ab einem gewissen Punkt, wenn sie der Beschimpfungen müde geworden sind, geben sie den Blick in die Zukunft frei. Sie nähren die Hoffnung auf ein schöneres, komfortableres Leben nach ihrem Abzug. Und am Ende sind sie binnen Tagen einfach verschwunden. Ziehen weiter an Orte, in denen sie erwartet und befürchtet werden. Wissend, dass man sie schnell vergisst. Dass die anliegenden Läden und Kneipen noch eine gewisse Zeit über sie schimpfen werden, dass sie ihnen die Geschäfte ruiniert haben, ehe neue Kunden angelockt wurden. Den Baustellen ist beides egal.